„Ich brauche dieses flirrende Chaos um mich herum, damit sich aus dieser Vielfalt heraus die entsprechenden Elemente finden können. Irgendwann beginnen diese Teilchen miteinander zu kommunizieren und sich schließlich auf „wundersame Weise“ zu finden. Mal ist es Anziehung oder Ähnlichkeit, aber auch Abstoßung und scheinbare Fremdheit. Manchmal entspinnt sich plötzlich etwas Narratives, eine Art Handlungsstrang, oder Geschichte. Mich interessiert die Verbindung dieser unterschiedlichen Teilchen, die Möglichkeit, aber auch die Unmöglichkeit dieser Verbindung. Dabei nutze ich Schere, Tacker, Kleber, Nähmaschine, Klebebänder etc. Manche dieser Teile scheinen sich ineinander aufzulösen, andere bleiben isoliert und „ungeschönt“ nebeneinander stehen. Auch das Zusammenfinden und Zusammenhalten der einzelnen Elemente rückt so in den Blickpunkt. Auflösen, Verbinden, Zusammenwachsen, Vernarben, Heilen, aber auch Isolation und Trennung sind die Themen, die ich mittels der Collage ausdrücke und daran spannend finde. Der Prozess der Findung bleibt so auch auf dem vollendeten Werk sichtbar.“
Das Motiv des „Herzens“ spielt in ihrem Werk eine große Rolle. Ein Grund dafür ist sicherlich die Erfahrung des Rückzugs und die Isolation in der Zeit des Lockdowns und der Corona-Krise. Das Herz wurde für Walli Popp zum Symbol der Verbundenheit über räumliche aber auch zeitliche Grenzen hinweg; als Speicher für alle Begegnungen, Beziehungen, Erlebnisse und Gefühle. Vielleicht der Versuch, sich bildhaft an den Begriff der „Seele“ anzunähern.
„Kreativität ist ein Ort. Erinnerung ist ein Bild. Der künstlerische Prozess ist eine besondere Reise, eine Heimreise in das verlorene und vertraute Land der Kindheit, der ursprünglichen Quelle unserer Inspiration und Identität.“ Janine Bourke
Die Kunst ermöglicht uns, immer auf Reisen zu sein, sich in unterschiedlichen Räumen von Ort und Zeit, von Nähe und Distanz, Erinnerung, und Traum hin-und her zu bewegen.
Walli Popp: „Ich finde es spannend, Kleidungsstücke als Bildträger zu nutzen, weil sie für mich mit den Erinnerungen und Erlebnissen des Trägers aufgeladen sind. Sie speichern und verdichten sozusagen dessen Energie, seine Geschichten, Begegnungen, Erfahrungen und Gefühle. Für mich sind sie Felder der Reibung, der Reibung mit dem Körper im engeren Sinn – symbolhaft im weiteren Sinn für die „Reibung“ mit dem Leben, für eine bestimmte Lebensphase, Veränderung, Wachstum und Transformation stehend. Meine neueren Collage-Kleider-Objekte aus der Corona-Zeit sind mehr und mehr in ihrer ursprünglichen Form verändert. Einzelne Teile sind abgeschnitten, wie amputiert, sie wirken deformiert und sind teilweise nicht mehr sofort als Kleidungsstück erkennbar.“
„Beginnt nicht alles mit einem PLOP? Eines der wichtigsten Elemente meines künstlerisch-bildnerischen Vokabulars ist der Punkt, der Kreis oder die Kugel. Ich nenne es PLOP. Der Plop steht für mich für den Beginn aller Dinge, für die Sonne, für die Planeten, die Erde aber auch für das kleinste Element, die Zelle und für die Bewegung und den Rhythmus der natürlichen Kreisläufe. Der Plop findet sich mal gezeichnet, mal gemalt, gesprayt oder ausgeschnitten aus unterschiedlichen Materialien auf meinen Arbeiten. Manchmal als Protagonist im Vordergrund, manchmal eher wie eine Spiegelung oder ein Schatten im Hintergrund.“
Zeitkapseln.
Zeit in Kapseln.
Erinnerungen in Kapseln.
Träume in Kapseln.
Sehnsucht in Kapseln.
Ideen in Kapseln.
Beziehungen in Kapseln.
Gefühle in Kapseln.
Leben in Kapseln.
Das Leben eine Collage von Kapseln. Diese unterschiedlichen „verkapselten Räume“ schwirren umher, sind etwas Abgeschlossenes, aber doch auch Teil eines großen Ganzen. Jede Zeitkapsel ist ein kleines Universum für sich, doch auch Teil des großen „Universums Leben“.
Sabine Burkhardt postet auf Facebook ein soeben geschriebenes Gedicht. Es ist Sommer 2020, Corona, Lockdown. Die Künstlerin Walli Popp liest das Gedicht und ist tief berührt, sie macht sich daran, Burkhardts Worte in der ihr eigenen Collagetechnik zu interpretieren und postet es ebenfalls. Burkhardt wiederum ist fasziniert von der Bildsprache und reagiert. In einer Art Ping Pong ist mal die Lyrik, mal die Collage Ausgangspunkt der zahlreichen Findungen. Das Künstlerinnen-Projekt naht—stellen ist geboren. HERZAUGENLAMPE vereint nun 33 dieser wunderbaren Findungen.
„Die Welt muß romantisiert werden.
So findet man den ursprünglichen Sinn wieder…
Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn,
dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn,
dem Bekannten die Würde des Unbekannten,
dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe,
so romantisiere ich es.“ Novalis
Die Welt zu romantisieren bedeutet also, sie mit den Mitteln der Imagination und der Poesie als Kontinuum wahrzunehmen, in dem alles mit allem zusammenhängt. Erst durch diesen poetischen Akt der Romantisierung wird die ursprüngliche Totalität der Welt als ihr eigentlicher Sinn im Kunstwerk begreifbar und mitteilbar. Die Schönheit der „kleinen Dinge“ des Lebens wahrnehmen, die uns umgeben und sie mit Poesie und Bedeutung aufladen. Diesen Leitsatz der Romantik greife ich mit meiner ureigenen Bildsprache und Technik auf und spinne ihn in meinen Collagen und Collage-Objekten weiter.